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Inzidenzen

Thomas Scholz, Sonnabend, 6. März 2021,15:44h. An  leserbriefe@tagesspiegel.de

Das Festhalten an 7-Tage-Inzidenzen als Basis für Lockerungsmassnahmen führt in die Irre. Die genannten Inzidenzen sind keine Inzidenzen im Sinne der Definition, weil die Grundgesamtheit der Infizierten unbekannt ist und eine große Dunkelziffer besteht, nämlich laut einzelner RKI-Stichproben gibt es zwei- bis viermal mehr Infizierte als entdeckt. Wenn jetzt mittels Schnelltests massenhaft auf Corona getestet wird, wird bei vielen asymptomatisch Gesunden eine Coronainfektion festgestellt werden. Damit wird die Dunkelziffer kleiner und die „Inzidenzen“ steigen, ohne dass die Bevölkerung mehr an Corona erkrankt ist. Das heißt, wir bekommen in jedem Fall in den nächsten Wochen höhere Infektionszahlen, insofern sind die Lockerungsmassnahmen tatsächlich eine Fata Morgana wie FDP-Chef Lindner formulierte. Es war immer die Begründung für die Lockdowns unterschiedlicher Intensität, eine Überlastung des Gesundheitwesens und der Krankenhäuser zu vermeiden auch unter Inkaufnahme größter gesamtgesellschaftlicher Kollateralschäden. Deswegen muss doch unbedingt die Krankenhausbedürftigkeit Grundmaßstab für Coronahandeln sein und nicht „Inzidenzen“, die von der Testhäufigkeit abhängen. Das Argument, die Krankenhauszahlen steigen erst zwei Wochen später und sind als Warnzeichen nicht geeignet, zieht nicht, weil die Häuser inzwischen nur 2-3 Tage Vorlauf benötigen, um die Zahl ihrer freien Intensivbetten zu verdoppeln.Wir können den Corona-Verlauf in Berlin sehr genau an den täglichen Lageberichten der Senatsverwaltung Gesundheit verfolgen,https://www.berlin.de/corona/lagebericht/desktop/corona.html.
Seit über zwei Wochen steigen die gemeldeten Infektionsfälle wieder unter dem Einfluss der ansteckungsfähigeren britischen Mutante (am 17.2.21 22% Anteil, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-02-17.pdf?__blob=publicationFile,
am 3.3.21 bei 40%, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-03-03.pdf?__blob=publicationFile).

In den 14 Tagen mit steigenden Mutantenfällen sank die Krankenhausbedürftigkeit in Berlin steig weiter von 946 auf 697; die Beatmungspflichtigkeit sank von 181 auf 170 Fälle und stagniert bei dieser Zahl.  Mit der Messlatte Belastung des Gesundheitswesens ist spätestens Ende der kommenden Woche erkennbar, ob weitere Lockerungen möglich sind. Denn dann zeigt sich, ob eine höhere Ansteckungsfähigkeit der britischen Coronavariante in Folge auch mehr Krankheiten bedingt. Schließlich verlaufen die meisten Coronainfektionen glücklicherweise ja asymptomatisch. Mit der Messlatte Inzidenzen benötigen wir jedoch noch viele Wochen, in denen die Zerstörung unserer Gesellschaft fortgesetzt wird.

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